17. November 2024

Interview: Ganzheitliche Hilfen für Frühgeborene

Für die Entwicklung eines frühgeborenen Kindes sind optimale Bedingungen nach der Geburt entscheidend. Daher unterstützt HILFE FÜR KRANKE KINDER die Neonatologie der Uni-Kinderklinik Tübingen. PD Dr. Cornelia Wiechers, stellvertretende Ärztliche Direktorin, und Prof. Dr. Christian Poets, Leiter der Neonatologie Tübingen, erklären die besonderen Bedürfnisse der kleinen Patienten auf ihren Stationen.
Text und Fotos: Nadine Wilmanns

Abgesehen von der rein körperlichen Gesundheit, vor welchen Herausforderungen steht ein frühgeborenes Kind?

PD Dr. Wiechers: Nach der Geburt bringen wir die Frühgeborenen aus dem Kreißsaal direkt auf die Intensivstation der Neonatologie. Doch die Zeit unmittelbar nach der Geburt ist prägend, insbesondere für den Bindungsaufbau. Daher geben wir uns größte Mühe, ein Kuscheln mit Mutter oder Vater schon im Kreißsaal zu ermöglichen.

Wie sah das früher aus?

Prof. Dr. Poets: Vor 40 Jahren war die Besuchszeit der Eltern noch eine Stunde pro Woche. Über die Jahre wurde das verbessert, doch die Besuchszeit blieb strikt reglementiert. Tübingen war schon immer eine Neonatologie, die Eltern so viel wie möglich integriert hat. Eltern sind am besten dafür geeignet, dem Kind die nötige Ruhe zu vermitteln. Die Pflegenden haben wiederum die Pflegeerfahrung und fachliche Kompetenz; sie werden damit zu Coaches, die die Eltern anleiten.
Im Krankenhausalltag ist die Integration der Eltern bestimmt nicht so leicht umzusetzen…

Prof. Dr. Poets: Seit die Stationen konzipiert wurden, hat sich nicht nur das Mindset verändert, sondern auch Abläufe, Therapien und Gerätschaften in der Neonatologie – nur die Räumlichkeiten sind nicht mitgewachsen. Im gerade entstehenden Neubau der Neonatologie 4 können Eltern und Kind in einem Zimmer übernachten – die Eltern können rund um die Uhr in die Versorgung ihres Kindes eingebunden sein. Hilfe für kranke Kinder unterstützt uns seit Jahren bei Investitionen zur Familienzentrierung – zusammen mit Partnervereinen wie dem Tübinger Frühchenverein Lichtblick e.V. oder Dachtel hilft kranken Kindern e.V.

Werden auch die älteren Stationen verändert?

PD Dr. Wiechers: Die älteren drei Stationen sollen nach und nach renoviert werden und im Sinne einer Healing Architecture der neuen Neo 4 angepasst werden – mit warmen, wohnlichen Farben, Holz- und Naturtönen. Die Eltern verbringen viele Wochen auf Station und sollen sich wohlfühlen können. Auf der Neo 1 haben wir beispielsweise mit Hilfe der Stiftung gerade die Eltern-Wohnküche renoviert. Wichtig ist uns, dass die Qualität der medizinischen Betreuung auf allen Stationen gleich hoch ist und die Eltern überall gleich in die Betreuung involviert sein können.

Wo hat die Stiftung HILE FÜR KRANKE KINDER noch geholfen?

PD Dr. Wiechers: Da gibt es so vieles! Über die Stiftung konnten wir zum Beispiel über zwei Jahre eine Stelle für eine professionelle Stillförderung finanzieren. Auch die Geräte der Muttermilchbank, Känguruh-Stühle und auch medizinische Geräte, die die Behandlung der Frühgeborenen verbessern, wurden von Hilfe für kranke Kinder ermöglicht.

Welche Geräte sind das beispielsweise?

Prof. Dr. Poets: Da wären etwa der Cocoon und die LEDs zur Phototherapie. Außerdem die Pulsoximeter, die die Sauerstoffzufuhr automatisch nachsteuern oder die Highflow-Geräte zur Atemunterstützung. Letztere sind eine Art Sauerstoff-Brille, die diese Unterstützung für die Kinder angenehmer macht. Ein weiteres Beispiel wäre der NewLife Monitor, ein Forschungsinstrument, mit dem wir die Lungenfunktion der Kinder messen können.

Forschung ist also ein weiterer Bereich, den die Stiftung unterstützt?

PD Dr. Wiechers: Genau, die Stiftung hat viele Geräte und Maßnahmen finanziert, die uns die Teilnahme an wissenschaftlichen Studien ermöglicht haben: etwa den Bod-Pod, der die Körperzusammensetzung misst, oder die RedCap-Datenbank, die die Ergebnisauswertung in der Forschung deutlich verbessert. Auch über die Stiftung finanzierte Aktigraphen haben wir für eine Studie benutzt: sie messen das Schlaf- und Bewegungsverhalten über mehrere Tage. So konnten wir sehen, dass Frühgeborene auch noch mit zehn Jahren einen anderen Schlaf haben als reif geborene Kinder. Ein Frühchen bleibt lebenslang ein Frühchen.

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